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FUNKTION, AUFGABEN UND KOMPETENZEN

Das Genossenschaftsrecht sieht im Gegensatz zum Aktienrecht kein Präsidium und ihm zugeordnete Aufgaben vor. Die Statuten und in ihrem Rahmen die Verwaltung selbst sind daher weitgehend frei, Funktion, Aufgaben und Kompetenzen des Präsidiums zu regeln – was einen hohen Anspruch punkto Selbstregulierung mit sich bringt, um modernen Governance-Grundsätzen gerecht zu werden. Auch wenn das Präsidium der Genossenschaftsverwaltung gesetzlich nicht zwingend vorgesehen ist, kennen die Genossenschaften in der Praxis die Präsidiumsfunktion.
 

Das Genossenschaftsrecht kennt nur wenige Vorschriften zur Organisation der Verwaltung eine Genossenschaft. Es regelt einzig, dass die Verwaltung aus mindestens drei natürlichen Personen (Mitgliedern) bestehen muss, wovon die Mehrheit selbst Genossenschafter zu sein hat oder Vertreter einer juristischen Person, die Genossenschafter ist (Art. 894 OR). Zudem ermöglicht das Gesetz, dass die Statuten Verwaltungsausschüsse vorsehen und ihnen bestimmte Verwaltungsaufgaben delegieren (Art. 897 OR). Im Gegensatz zum Aktienrecht (Art. 712 OR) schreibt das Genossenschaftsrecht das Präsidium nicht vor. Dennoch bezeichnen auch Genossenschaften in der Praxis regelmässig einen Präsidenten oder eine Präsidentin und melden die entsprechende Funktion im Handelsregister an.
 

Bedeutung von Statuten und Organisationsreglement

Weil es im Genossenschaftsrecht an einer gesetzlichen Regelung für die interne Organisation fehlt, kommt den Statuten der Genossenschaft eine zentrale Bedeutung zu. In der Regel ist die Funktion des Präsidiums sowie die Zuständigkeit und die Modalitäten für seine Wahl oder Ernennung in den Statuten festgelegt. Die Statuten können angepasst auf die konkreten Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Genossenschaft auch weitere Funktionen innerhalb der Verwaltung ‑ wie zum Beispiel ein Vizepräsidium oder auch ein Co-Präsidium - festlegen. Ohne statutarische Regelung gilt das Prinzip der Selbstorganisation: Die Verwaltung bestimmt selbst, wie sie sich intern organisiert, welche Funktionen sie festlegt und wie sie die Aufgaben verteilt.

Die interne Organisation sollte entlang den statutarischen Vorgaben in einem Organisationsreglement geregelt werden, das durch die Verwaltung erlassen und angepasst wird. Das Organisationsreglement sieht für das Präsidium häufig explizit bestimmte Aufgaben, Rechte und Pflichten vor.

 

Hauptaufgaben

Die Hauptaufgaben des Präsidiums können etwa in folgende Bereiche unterteilt werden:
 

Repräsentation und Vertretung der Genossenschaft

Die Genossenschaft wird regelmässig durch das Präsidium der Verwaltung (und gegebenenfalls die Geschäftsleitung) nach aussen vertreten und repräsentiert. Das Präsidium ist Gesicht und Vertretung der Genossenschaft. Es bestimmt die Wahrnehmung der Genossenschaft in der Öffentlichkeit und den Auftritt der Genossenschaft gegenüber Genossenschaftern, Behörden, Medien, Anspruchsgruppen und weiteren Dritten wesentlich mit.
 

Vorsitz der Verwaltung

Nach innen ist das Präsidium als «primus inter pares» und Leader hauptverantwortlich für das Funktionieren des Verwaltungsgremiums. Präsident oder Präsidentin sorgen dafür, dass die Verwaltung ihre Aufgaben und Pflichten wahrnimmt. Dabei ist er oder sie verantwortlich für die Einhaltung der formellen Rahmenbedingungen (Vorbereitung und Organisation der Sitzungen, Einladung und Traktandenlisten, rechtzeitiges Bereitstellen der Informationen und Unterlagen) und ist als Teamleader dafür besorgt, dass sich jedes Mitglied der Verwaltung einbringen kann resp. sich auch tatsächlich einbringt.

Das Präsidium leitet die Sitzung, führt durch die Traktanden und sorgt dafür, dass die Sitzungen effizient, aber mit der erforderlichen Ausführlichkeit durchgeführt und dass die erforderlichen Beschlüsse gefasst werden. Schliesslich ist das Präsidium auch der Hüter über die Aufgaben- und Pendenzenliste der Verwaltung und unterzeichnet zusammen mit dem Protokollführer oder der Protokollführerin das Protokoll der Sitzung, das analog den aktienrechtlichen Bestimmungen, Aufschluss über die geführten Diskussionen und Abwägungen sowie die gefassten Beschlüsse geben sollte.
 

Bindeglied zur Geschäftsleitung

Das Präsidium ist sodann das Bindeglied der Verwaltung zum CEO und zur Geschäftsleitung und umgekehrt. Für den CEO resp. die Geschäftsleitung ist das Präsidium Sparringpartner und erste Ansprechperson in der Verwaltung. Es stellt die Kommunikation zwischen Verwaltung und Geschäftsleitung sicher und ist einerseits darum besorgt, dass die Anliegen der Geschäftsleitung in der Verwaltung Gehör finden und andererseits, dass die Beschlüsse der Verwaltung in der Geschäftsleitung verstanden und umgesetzt werden. Das Organisationsreglement kann gewisse Prozessabläufe und Aufgaben regeln.
 

Leitung der Generalversammlung

Die Leitung der Generalversammlung obliegt regelmässig dem Präsidium. Dabei trägt es die Verantwortung dafür, dass die Versammlung von der Vorbereitung und Einberufung über die Durchführung bis hin zur Nachbearbeitung ordnungsgemäss abgehalten wird, und dass die Beschlüsse anlässlich der Generalversammlung korrekt gefasst und protokolliert werden.
 

Krisenmanagement

Daneben ist der Präsident oder die Präsidentin der Verwaltung, wenn nötig, Krisenmanager und muss im Interesse der Genossenschaft deren reibungsloses Funktionieren intern und extern sicherstellen.

 

Anforderungen an die Präsidiumsrolle

An der Spitze der Verwaltung muss eine Person stehen, die in der Lage ist, diese Aufgaben wahrzunehmen. Neben der fachlichen Kompetenz spielen dabei soziale und persönliche Fähigkeiten eine zentrale Rolle. Die Person, die das Präsidium innehat, prägt ganz wesentlich die Kultur in der Verwaltung und damit auch in der Genossenschaft selbst. Die Art und Weise wie sie führt und welche Werte sie dabei vertritt und vorlebt, hat eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Unternehmenskultur der Genossenschaft. Nicht zuletzt muss die betreffende Person über genügend zeitliche Kapazitäten verfügen, um das Präsidiumsamt im geforderten Masse ausüben zu können.

Ein Präsident oder eine Präsidentin müssen eine Vorbildfunktion erfüllen können, integer, souverän und durchsetzungsfähig sein. Sie sollten Leadership-, Team- und Kritikfähigkeiten vereinen, Menschen motivieren und auch mit Spannungen umgehen können. Nicht jedes gute Mitglied der Verwaltung ist automatisch auch eine gute Präsidialperson.
 

Der Leitfaden Cooperative Governance der Idée Cooperative enthält weitere Erläuterungen und Tipps für die Umsetzung der Präsidiumsrolle und -funktion in der genossenschaftlichen Praxis.

 

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