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Blog Recht II

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Verantwortlichkeit und Schadenersatz: Die Mitglieder der Verwaltung haften gegenüber der Genossenschaft für den Schaden, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Bei der Verletzung der gesetzlichen Pflichten im Falle einer Überschuldung haften sie auch gegenüber Genossenschaftern und Gläubigern.
 

Die Haftung der Verwaltung von Genossenschaften ist - historisch bedingt - etwas weniger streng ausgestaltet als diejenige des Verwaltungsrats von Aktiengesellschaften. Eine Ausnahme gilt für Kreditgenossenschaften und konzessionierte Versicherungsunternehmen: Für sie greift die striktere Verantwortlichkeit nach Aktienrecht (Art. 920 i.V.m. Art. 752 ff. OR). Zur Anhebung einer Verantwortlichkeitsklage ist allein die Genossenschaft berechtigt (Art. 916 OR). Nur bei Überschuldung und Konkurs können auch Genossenschafter und Gesellschaftsgläubiger Ansprüche geltend machen (Art. 917 OR).

 

Haftungsvoraussetzungen

Die Haftung der Mitglieder der Verwaltung setzt ein Vierfaches voraus:
 

1.     Einen Schaden

2.     Eine absichtliche oder fahrlässige Pflichtverletzung

3.     Einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden

4.     Ein Verschulden
 

Neben den Mitgliedern der Verwaltung sind auch die Geschäftsleitung, die Revisionsstelle und Liquidatoren für den ihnen zurechenbaren Schaden haftbar (Art. 917 Abs. 1 OR).

 

Pflichtverletzung

Die Mitglieder der Verwaltung haften für den Schaden, der aus der absichtlichen oder fahrlässigen Verletzung ihrer gesetzlichen oder statutarischen Pflichten resultiert. Generell ist die Verwaltung verantwortlich für die Oberleitung und Organisation der Genossenschaft und deren finanzielle Führung. Die Mitglieder der Verwaltung unterstehen einer allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflicht (inkl. Geheimhaltung) und der Pflicht zur Einhaltung von Gesetz und Statuten.

Das Gesetz nennt als Aufgaben der Verwaltung explizit die sorgfältige Leitung der Geschäfte, die Förderung der genossenschaftlichen Aufgabe, die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse, die Überwachung der Geschäftsleitung sowie die Pflicht, sich regelmässig über den Geschäftsgang unterrichten zu lassen (Art. 902 OR). Zudem ist die Verwaltung verantwortlich für die Führung der Protokolle (Verwaltung und Generalversammlung), des Genossenschafterverzeichnisses und der Geschäftsbücher, für die rechtskonforme Erstellung des Geschäftsberichts und dessen Prüfung durch die Revisionsstelle sowie für die vorgeschriebenen Meldungen an das Handelsregisteramt.


Ab 2023 muss die Verwaltung zudem die Liquidität der Genossenschaft überwachen und nötigenfalls Massnahmen ergreifen (Art. 903 i.V.m. Art. 725 nOR). Bei begründeter Besorgnis der Überschuldung muss sie unverzüglich einen Zwischenabschluss erstellen und durch die Revisionsstelle prüfen lassen. Gegebenenfalls muss sie das Gericht benachrichtigen und den Konkurs anmelden (Art. 903 i.V.m. Art. 725b nOR). Bei Genossenschaften mit Anteilsscheinen müssen auch bei einem hälftigen Kapitalverlust Massnahmen ergriffen werden (Art. 903 Abs. 2 i.V.m. Art. 725a nOR).

Die Statuten können allenfalls weitere Pflichten der Verwaltung enthalten.

 

Kausalzusammenhang

Adäquat ist der Kausalzusammenhang dann, wenn die spezifische Pflichtverletzung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu bewirken. Es genügt folglich nicht jede Pflichtverletzung, sondern sie muss erwartungs- und erfahrungsgemäss auch zum entsprechenden Schaden führen können.

 

Verschulden

Ein Verschulden liegt vor, wenn der Verwaltung Absicht oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Fahrlässig handelt, wer die unter den gegebenen Umständen erforderliche Sorgfalt nicht aufwendet. Es gilt ein objektivierter Sorgfaltsmassstab: Die Verwaltung wird grundsätzlich am Verhalten gemessen, das von einem hinreichend qualifizierten, gewissenhaften Gremium in dieser Situation vernünftigerweise erwartet werden kann. Insbesondere sind mangelndes Fachwissen, Zeitmangel, Untätigkeit, Unwissenheit oder Unfähigkeit keine Entschuldigung.

 

Schaden

Als Schaden gilt allgemein die Differenz zwischen dem Stand des Vermögens mit und ohne schädigendes Ereignis.

 

Weitere Haftungsgrundlagen

Grundsätzlich können die Mitglieder der Verwaltung auch aufgrund weiterer zivil-, straf- oder öffentlichrechtlicher Grundlagen haften. Relevant in der Praxis ist vor allem die Haftung für Sozialversicherungsabgaben (insbesondere Art. 52 AHVG). Bezahlt die Genossenschaft die geschuldeten Sozialversicherungsabgaben nicht, haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung persönlich für die Abgaben.

 

Rückerstattung von Leistungen

Neu müssen ab 2023 auch Mitglieder der Verwaltung unrechtmässig von der Genossenschaft bezogene Leistungen zurückerstatten (Art. 902a i.V.m. Art. 678 nOR). Unrechtmässig bezogen sind Leistungen namentlich dann, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.

 

Haftungsprävention

Haftung vermeiden, heisst Schäden vermeiden. Die beste Haftungsprävention ist daher eine sorgfältige, rechtskonforme und aktive Ausübung des Verwaltungsmandats und die Erfüllung der jeweiligen Pflichten. Dies bedingt, dass man sich der entsprechenden Pflichten bewusst ist und über die nötigen fachlichen und persönlichen Kompetenzen verfügt, sie zu erfüllen. Eine Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) kann zudem vor den finanziellen Folgen einer Pflichtverletzung oder einer Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche schützen.

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