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Blog Recht IIII

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Die Generalversammlung der Genossenschaft


Neues und Bewährtes:
Die Generalversammlung ist das oberste Organ der Genossenschaft und von Gesetzes wegen mit unübertragbaren Befugnissen ausgestattet. In Genossenschaften mit mehr als 300 Mitglieder kann eine Urabstimmung durchgeführt werden, und mit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts sind auch virtuelle Generalversammlungen oder Generalversammlungen im Ausland möglich.
 



Die neuen Vorschriften des Aktienrechts über den Tagungsort und die Verwendung elektronischer Mittel sind sinngemäss auch bei der Generalsversammlung der Genossenschaft anwendbar (Art. 893a OR). Genossenschaften können ihre Generalversammlung grundsätzlich als Urabstimmung, als Universalversammlung oder als Delegiertenversammlung und neu auch unter Verwendung elektronischer Mittel, an mehreren Tagungsorten gleichzeitig, als virtuelle Generalversammlung oder im Ausland durchführen. Ein Überblick.
 
 

Befugnisse der Generalversammlung

Folgende Aufgaben stehen als unübertragbare Befugnisse (Art. 879 OR) zwingend der Generalversammlung zu:

-      die Festsetzung und Änderung der Statuten (Achtung: ab dem 1. Januar 2023 müssen Statutenänderungen auch bei der Genossenschaft öffentlich beurkundet werden gemäss Art. 830 und Art. 838a OR),

-      die Wahl der Verwaltung und der Revisionsstelle,

-      die Genehmigung der Jahresrechnung sowie gegebenenfalls die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns,

-      die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;

-      die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Kapitalreserven;

-      die Entlastung der Verwaltung (Décharge-Erteilung),

-      die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.
 

Im Genossenschaftsrecht gibt es (anders als im Aktienrecht) keine gesetzliche Kompetenzvermutung zugunsten der Verwaltung.


 

Einberufung der Generalversammlung

Einberufungskompetenz und -pflicht

Die Generalversammlung wird regelmässig durch die Verwaltung einberufen (Art. 881 OR). Statutarisch kann auch ein anderes Organ mit der Einberufung betraut werden. Bleibt die Verwaltung untätig, ist nötigenfalls die Revisionsstelle zur Einberufung verpflichtet. Zudem steht das Einberufungsrecht auch den Liquidatoren oder den Vertretern der Anleihensgläubigern zu.

Zehn Prozent der Genossenschafter (oder drei Genossenschafter bei Genossenschaften mit weniger als 30 Mitgliedern) können ebenfalls die Einberufung verlangen. Entspricht die Verwaltung dem Begehren nicht innert angemessener Frist, kann die Einberufung gerichtlich verlangt werden.
 

Zeitpunkt der Generalversammlung

Im Gegensatz zum Aktienrecht verlangt das Genossenschaftsrecht nicht, dass die Generalversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres durchgeführt werden muss. Lehre und Praxis fordern aber immerhin die Durchführung einmal jährlich im Laufe des folgenden Geschäftsjahres. Häufig sehen auch die Statuten vor, innerhalb welcher Frist die Generalversammlung durchzuführen ist.
 

Einberufungsform und -frist

Die Generalversammlung muss in der von den Statuten vorgesehenen Form einberufen werden, mindestens aber fünf Tage vor dem Versammlungstag (Art. 882 Abs. 1 OR). Dabei werden der Tag des Zugangs der Einberufung und der Tag der Versammlung nicht mitgezählt. Bei Genossenschaften mit mehr als 30 Mitgliedern ist die Einberufung wirksam, sobald sie durch eine in den Statuten näher zu definierende öffentliche Auskündigung erfolgt (Art. 882 Abs. 2 OR).

Mindestens zehn Tage vor der Generalversammlung muss den Genossenschaftern Einsicht in Jahresbericht und Jahresrechnung gewährt oder müssen die Unterlagen elektronisch zugänglich gemacht werden (Art. 856 OR).
 

Traktanden

Die Verhandlungsgegenstände (Traktanden) müssen zusammen mit der Einberufung, das heisst spätestens fünf Tage vor dem Versammlungstag, bekannt gegeben werden und bei (neu öffentlich zu beurkundenden) Statutenänderungen auch der wesentliche Inhalt der Änderung (Art. 883 Abs. 1 OR).

 

Art der Generalversammlung

Urabstimmung

Dem Genossenschaftsrecht eigen ist die Urabstimmung (Art. 880 OR). Bei Genossenschaften mit mehr als 300 Mitgliedern können die Statuten vorsehen, dass das Stimm- und Wahlrecht ganz oder teilweise schriftlich ausgeübt werden kann. Eine Urabstimmung ist nur möglich, wenn sie in den Statuten vorgesehen ist.
 

Universalversammlung

Wenn und solange sämtliche Genossenschafter anwesend und einverstanden sind, können Beschlüsse auch ohne Einhaltung der Einberufungsvorschriften gefasst werden (Art. 884 OR). Sobald ein Genossenschafter Widerspruch gegen die Durchführung dieser sog. Universalversammlung erhebt oder die Versammlung verlässt, ist eine Universalversammlung nicht mehr möglich.
 

Delgiertenversammlung

Bei Genossenschaften mit mehr als 300 Mitgliedern oder bei Genossenschaften, deren Mitglieder mehrheitlich selbst Genossenschaften sind (Genossenschaftsverbände), können die Statuten die Befugnisse der Generalversammlung ganz oder teilweise an eine Delegiertenversammlung übertragen (Art. 892 OR). Die Statuten regeln diesfalls Zusammensetzung, Wahlart und Einberufung der Delegiertenversammlung.


 

Ort er Generalversammlung

Festlegung durch die Verwaltung

Den Ort der Generalversammlung legt die Verwaltung fest. Durch die Festlegung des Tagungsorts darf die Ausübung der Genossenschaftsrechte im Zusammenhang mit der Generalversammlung nicht in unsachlicher Weise erschwert werden (Art. 701a i.V.m. Art. 893a OR).
 

Mehrere Tagungsorte

Die Generalversammlung kann neu gleichzeitig an verschiedenen Orten durchgeführt werden. Diesfalls ist sicherzustellen, dass die Voten der Teilnehmer in jedem Fall unmittelbar in Bild und Ton an sämtliche Tagungsorte übertragen werden (Art. 701a Abs. 3 i.V.m. Art. 893a OR).
 

Generalversammlung im Ausland

Die Generalversammlung kann neu auch im Ausland stattfinden. Diese Möglichkeit muss aber explizit in den Statuten vorgesehen sein (Art. 701b Abs. 1 i.V.m. Art. 893a OR).


 

Durchfühung der Generalversammlung

Mit elektonischen Mitteln

Die Verwaltung kann vorsehen, dass Genossenschafter, die nicht am Ort der Generalversammlung anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können (Art. 701c i.V. Art. 893a OR). Diesfalls muss er die Verwendung der elektronischen Mittel regeln und sicherstellen, dass

-      die Identität der Teilnehmer feststeht,

-      die Voten in der Generalversammlung unmittelbar übertragen werden,

-      jeder Teilnehmen Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen kann,

-      das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.

Treten während der Generalversammlung technische Probleme auf, so dass die Generalversammlung nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden kann, muss sie wiederholt werden. Beschlüsse, die vor dem Auftreten der technischen Probleme gefasst wurden, bleiben gültig (Art. 701f i.V.m. Art. 893a OR).
 

Virtuelle Generalversammlung

Die virtuelle Generalversammlung findet ohne Tagungsort und ausschliesslich mit elektronischen Mitteln statt. Damit die Generalversammlung virtuell durchgeführt werden kann, müssen die Statuten diese Möglichkeit vorsehen (Art. 701d i.V.m. Art. 893a OR). Bei der virtuellen Generalversammlung müssen die Vorschriften über die Verwendung elektronischer Mittel (s. oben) eingehalten werden.
 

 

Stimmen und wählen in der Generalversammlung

Stimm- und Walrecht

Wird die Generalversammlung als Delegiertenversammlung durchgeführt, hat jeder Delegierte – vorbehältlich einer abweichenden statutarischen Regelung - eine Stimme (Art. 892 Abs. 3 OR).
 

Vertretung

EinGenossenschafter kann sich durch einen anderen Genossenschafter bei der Ausübung seines Stimmrechts vertreten lassen, allerdings darf jeder Genossenschafter höchstens einen anderen Genossenschafter vertreten, es sei denn, die Genossenschaft habe mehr als 1'000 Mitglieder. Diesfalls können die Stauten vorsehen, dass ein Genossenschafter mehrere (maximal neun) Genossenschafter vertreten darf (Art. 886 Abs. 1 und 2 OR). Sofern die Statuten es vorsehen, kann sich ein Genossenschafter auch durch ein handlungsfähiges Familienmitglied vertreten lassen.
 

Ausschluss vom Simmrecht

Personen, die in irgendeiner Weise an der Geschäftsführung teilgenommen haben, steht kein Stimmrecht zu bei der Entlastung der Verwaltung (Art. 887 OR). Insbesondere dürfen die Mitglieder der Verwaltung nicht über ihre eigene Décharge-Erteilung abstimmen.
 

Beschlussfassung

Die Generalversammlung der Genossenschaft fasst ihre Beschlüsse und vollzieht ihre Wahlen mit dem absoluten Mehr der abgegebenen (!)  - nicht der anwesenden resp. vertretenen – Stimmen (Art. 888 OR). Die Statuten können eine andere Mehrheit bestimmen.

Für die Auflösung der Genossenschaft braucht es mindestens die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Dieses Quorum kann statutarisch verschärft, aber darf nicht herabgesetzt werden (Art. 888 Abs. 2 OR). Zudem bedürfen Beschlüsse über die Einführung oder Vermehrung der persönlichen Haftung oder der Nachschusspflicht des qualifizierten Mehrs von drei Vierteln aller (!) Genossenschaftern (Art. 889 Abs. 1 OR).

Über nicht korrekt angekündigte Traktanden können keine Beschlüsse gefasst werden, ausser über einen Antrag auf Einberufung einer weiteren Generalversammlung (Art. 883 Abs. 2 OR). Eigene Anträge zu angekündigten Traktanden können auch ohne vorgängige Ankündigung direkt an der Generalversammlung gestellt werden.


 

Anfechtung der Generalversammlungsbeschlüsse

Beschlüsse der Geeralversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, können innert zwei Monaten nach Beschlussfassung bei Gericht angefochten werden (Art. 891 OR). Das Recht auf Anfechtung nicht gesetzes- oder statutenkonformer Beschlüsse ist nach Ablauf der zwei Monate verwirkt.

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